Da war doch jemand, draußen vor der Tür. Zum zehnten Mal ging ich an die Wohnungstür und blickte minutenlang durch den Sucher. Für Hunderte Euro hatte ich eine Stahltür und ein neues Schloss einbauen lassen. In einer Nacht hatte ich zweimal die Polizei gerufen. Jetzt wackelten mir die Knie und ich war fest überzeugt, dass Sie Gas in die Wohnung einleiten. Meinen Freunden berichtete ich am nächsten Tag davon und Sie schlugen mir vor, bei Ihnen zu übernachten. Einen Termin beim Psychiater machte ich auch. Mittlerweile verdächtigte ich harmlose Ubahnmitfahrer als Spione. Ich war der Überzeugung, wenn man so Terrorisiert wird, bracht man ja Hilfe. Der Psychiater hörte sich meine Geschichte an und verschrieb mir 6 Mg Risperidion.

Danach wurde es ruhiger und Nebeliger. Es besserte sich mein Zustand. Plötzlich war da eine Leere, weil die Fotografie von mir eingestellt wurde. Was tun? Womit den Tag ausfüllen? Zuerst eroberte ich mir meine Wohnung zurück und entfernte die Bewegungsmelder am Balkon. Bei meinen Besuchen in der Wohnung war ich überzeugt: Der Feind kommt im 2. Stock auch über den Balkon. Dann rauchte ich und verbrachte viel Zeit bei Facebook. Für einen kurzen Moment war ich ehrenamtlich bei einem 3. Weltladen tätig. Die kamen mit mir, bis unter die Haarspitzen Sedierten, überhaupt nicht zurecht. Rückblick ins Jahr 1999.
Die Sonne blinzelte und ich wachte auf, im Freien auf einer Parkbank. Am Ende der U-Bahnlinie war ich volltrunken ausgestiegen und hatte mich hingelegt. Das war der Höhepunkt meines Weges aus der Provinz in die große Werbewelt. Aus irgendeinem Grund war es damals für mich erstrebenswert in dieser Welt mich zu beweisen. Im Rahmen eines Praktikums im Studium hatte ich es in die Strategieabteilung einer großen Werbeagentur in Hamburg geschafft. Ein Höhepunkt folgte in Hamburg noch: Ich hatte mich nackt im Fiebertraum ausgesperrt. Nachts. Ich hätte triftige Gründe gehabt mir diesen Wahn in der Agentur nicht anzutun. Ein halbes Jahr vorher hatte ich einen MS Schub. Keine körperlichen Schäden waren zurückgeblieben, aber psychisch war ich angeschlagen. Die Beine hatten sich taub angefühlt, gehen konnte ich noch. Letztendlich bin ich im Krankenhaus gelandet. Dort wurde ich mit Cordison geflutet. Die Störungen gingen zurück. Im Krankenhaus bekam ich ein Telfonat eines Manes mit der sich von Jemand für immer verabschiedet. Danach REHA, die ich aber abbrach. Das Schicksal der anderen Patienten ging mir zu Nahe. Meine Familie und meine Freunde standen mir Nahe und fingen mich in der Situation auf. Die Ungewißheit was kommen könnte war dabei das Schlimmste.


Als Kind war ich sehr in der Katholischen Kirche involviert. Dreimal die Woche war ich dort. Dienstag als Messdiener im Gottesdienst, Freitag im Kinderchor und Gottesdienst, am Sonntag war der große Gottesdienst. Bei meiner ersten Beichte öffnete ich die Tür zum Beichtstuhl und schloss sie gleich wieder. Ich hatte einen Stuhl erwartet, aber da war keiner. Mir hat an der Kirche die Inszenierung gefallen, gläubig war ich eigentlich nie. Aber der Kontakt zu anderen Kindern und das Transzendente haben mir sehr gut getan. Gut es gab auch Ausnahmen, z.B. als eine Schwester Ende der 70er zu uns sagte „wenn man an den Teufel denkt, kommt man in die Hölle“. Natürlich lag ich Abends im Bett und versuchte verzweifelt nicht an den Teufel zu denken. Was blieb von der Zeit? Die Liebe zu den Ritualen, zum Pathetischen zur Inszenierung. 2019 projizierte ich mit dem INDUSTRIETEMEPL ein Film-Triptychon Sünde-Schuld-Reinigung im Waschsalon in Mannheim.

Nach der Realschule habe ich in der BASF ein Energielektroniker -Ausbildung angefangen und später abgeschlossen. Für den Beruf habe ich mich nicht interessiert. Meine Kollegen kamen von Pfäzler Dörfer und jagten Asylante oder fuhren mit Ihren Motorräder die Autobahnausfahrt falschrum rauf. Ein Auszubildender hatte einen Kampfhund, den sperrte er in einen Raum und versprühte Reizgas um den Hund aggresiver zu machen. Ich habe stattdessen SPIEGEL, Zeit und Tempo gelesen. In meinem Blaumann war ein Buch von Charles Bukowski versteckt was ich alleine im Schaltraum las. Diese tägliche Routine der Arbeiter hat mich fertiggemacht. Zwei Monate habe ich danach noch gearbeitet und ein Kollege war in seinem Verhalten schon auf die kommenden 40 Jahre eingestellt. Das Arbeiten war ein Desaster. Wir sollten Montagearbeiten in einem bestimmten Zeitrahmen fertigstellen. Das ist mir nie gelungen. Aber es war klar das ich nur die zwei Monate mache. Damals gab es noch Bier in der Kantine. Das Bier war günstiger als das Wasser. Aus einem Arbeiterhaushalt kommend war es für mich logisch eine Ausbildung in der BASF zu absolvieren. Meine Noten waren damals nicht gut genug um Abitur zu machen. Zum Ende der Lehre war ein Studium das Ziel.

Im Rudern war ich Teil der Juniorennationalmannschaft und dort einer der wenigen die eine Ausbildung machten. Alle anderen machten Abitur. Das wollte ich auch. Später habe ich dann aus vernünftigen Gründen BWL Fachrichtung Marketing Kommunikation studiert. Ein Fotograf im Studiengang Werbung sagte, ich sollte das BWL Studium schmeißen und Fotografie studieren. Zu Beginn des Studiums fuhr ich 1997 nach Sarajevo und fotografierte, später erschien ein Text mit Fotos in einer Studentenzeitschrift der Hochschule. Jung und dumm wie ich war, hatte ich vergessen einen Reisepass zu beantragen. Das bedeutete auf eigenes Risiko mit dem Personalausweis nach Sarajevo zu fahre. So stand ich Morgens um 3h an der Grenze, im Nebel zwischen Containern und kam mit Glück über die Grenze. Ich hatte schon Ausstellungen gehabt mich aber nicht getraut. Während des Studiums wohnte ich in einer WG. Die Villa stand mitten im Schwarzwald,

hatte Spitztürmchen und die Hochschule konnte ich auch mit einem Waldspaziergang erreichen. Der Aufenthalt in der Provinz war nur zu ertragen, weil ich regelmäßig meine Freunde in Köln und‘Berlin besuchte. Nach dem Studium ging es nach Berlin. Dort arbeitete ich für ein Kurzfilmfestival, machte Programme und holte EU-Förderungen. Sogar nach Paris wurde ich mit meinem Kurzfilmprogramm eingeladen.

Die Bilanz habe ich förderungswürdig umgebaut. Dem Buchhalter des Festivals wurde ganz schwindelig. Ein Kurzfilmprogramm entstand mit dem Unternehmen von Roman Coppola, dem Sohn von Francis Ford Coppola. Die hatte innovative Regisseure vereint: Music Videos – Ninja Tunes & The Directors Bureau. Irgendwie sind wir auch mit Karl Bartos (KRAFTWERK 1975-1990) ins Gespräch gekommen und saßen mit ihm an der Bar. Ein Konzertveranstaltungsplan scheiterte an seiner Vorstellung einen Vorschuss haben zu wollen. Es folgte später ein Desaster in einer Mediaagentur. Nach einem halben Jahr schmissen Sie mich raus. Ich war froh, so konnte ich endlich mal wieder Schlafen. 6 Monate hatte ich Schlaftabletten eingenommen. Danach 2006 bis 2010 folgte intensives Fotografieren. 2007 hatte ich gleich eine sehr große Ausstellung. Jeden Tag ging ich raus um zu Fotografieren. Im Jahr 2009 fing ich an die Wohnungstür innen zu sichern. Mit Ketten. Eigentlich war ich nur noch in Menschenleeren Gegenden unterwegs. Nach Potsdam gefahren und dann mit dem Bus in die Landschaften, von dort gelaufen. Einsam. Zum damaligen Zeitpunkt war ich auch jeden Tag im Schlosspark Charlottenburg. Fotografisch war das gut, aber seelisch ist sowas nicht zu empfehlen. Damals kamen die sozialen Medien erst in Schwung und es gab Tage da hatte ich zu niemanden Kontakt. Es gab auch Momente puren Glücks, aber Ehrgeiz gemischt mit Isolation führten Ende 2009 zur Psychose
5 Jahre musste ich wartete bis die Fotografie wieder richtig losging. In dieser Fotolosen Zeit machte ich meine 3. Ausbildung, Umschulung. Fachinformatiker. Die Umschulung fand in Brandenburg statt. „In Brandenburg in Brandenburg ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt!“ Die Teilnehmer waren alle gestört wie ich. Von einem Teilnehmer kam die Anfrage an mich, ob er und seine Geliebte bei meiner Mutter das Gästezimmer nutzen könnten? Er war adipös und bekam von Ihr immer eine Torte geschickt. Ein anderer stellte sich als Man mit Haus und Pool vor. Letztendlich hatte er so einen Aufstellpool und wohnte bei seiner Mutter im Keller. Danach wurde ich in Ruhe gelassen und künstlerisch folgten Ausstellungen

und Berichte über mich und meine Arbeiten. Letztendlich sucht man seinen Platz in der Welt. Mit 45 hatte ich den gefunden. Es war immer die Suche nach einem Platz und ein Schwanken zwischen Herkunft, Unsicherheit, Talent und gewünschten Zielen.